Geschichte

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Geschichte & Staat

Wenn auch der Staat Pakistan erst seit 1947 existiert, sind die Bewohner stolz auf die 5000-jährige Geschichte des Landes. In der kurzen Zeit seiner Existenz erlebte der Staat ein rasches Wechselspiel von zivilen und militärischen Regierungen, die wenig zur Errichtung und Stabilisierung demokratischer Institutionen geleistet haben.

Tag der Unabhängigkeit

14. August 1947

Staatsoberhaupt

Dr. Arif-ur Rehman Alvi

Regierungschef

Imran Ahmed Khan Niazi

Politisches System

Parlamentarische Republik

Demokratie Status- Index (BTI) Rang 102 von 137 (2020)

Korruptionsindex (CPI)

Rang 120 (von 180) (2019)

Geschichtliche Hintergründe

5000 Jahre Hochkulturen

Pakistanis sind stolz auf die Jahrtausende alten Hochkulturen, die auf ihrem Boden entstanden. Im 3. Jahrtausend vor der christlichen Zeitrechnung blühte am mittleren Indus, also in den Grenzen des heutigen Pakistan, die Industal-Kultur, auch Harappa-Kultur genannt. Ihre zivilisatorischen Errungenschaften, zu denen großstädtische Zentren gehörten, stehen den gleichzeitigen Zivilisationen Ägyptens und Mesopotamiens in nichts nach. Das 5000 Jahre alte Wasser- und Kanalisationssystem von Mohenjo Daro, der größten Stadt dieser Kultur, übertrifft das mancher modernen pakistanischen Stadt, und der gewaltige Getreidespeicher des gleichalten Harappa zeugt von vorbildlicher Wirtschaftsplanung. Harappa ist gut dokumentiert und es existieren viele Bilder der Ausgrabungsstätte; auf einer Karte wird die Lage dieses großartigen Zeugnisses der Induskultur dargestellt.

Das Gandhara-Reich

Im antiken Gandhara, das im heutigen Nordpakistan und Teilen Afghanistans angesiedelt war, entstand in der Mitte des 1. Jahrtausends vor der Zeitrechnung eine weitere Hochkultur. In Taxila, nahe Islamabad, wurde die älteste und damals einzige Universität  der Welt gegründet, die auch im modernen Sinne diesen Namen verdient. Sie war schon in Fakultäten organisiert, die etwa dem klassischen Modell unserer Universität entsprechen. In diesem Zentrum der Gelehrsamkeit für Geisteswissenschaften wurde auch eine Grammatik für das verschriftlichte Sanskrit entwickelt. Kunst und Architektur erlebten eine Blütezeit, aber auch Medizin, Jura und Wirtschaftswissenschaften erfuhren einen Aufschwung. Eine berühmte Kriegsakademie bildete die Offiziere und Strategen der Armee aus. Überliefert ist ein Gelehrten-Disput zu dem Alexander der Große während seines Zuges durch Gandhara (327 v.Chr.) die Professoren von Taxila einberief.

In Gandhara wurde Buddha erstmals bildlich dargestellt und zwar in einem römisch-hellenistisch-indischen Stil, der die fruchtbaren Kulturbeziehungen zwischen Südasien und Europa in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten bezeugt. Gandhara-Statuen gehören zu den herausragenden künstlerischen Schöpfungen jener Zeit. In den Museen von Lahore, Peshawar und Mingora im Swat finden finden sich zahlreiche Zeugnisse dieser großen Kunst. Werfen Sie einen Blick auf ein beeindruckendes Exemplar eines Gandhara- Buddhas aus dem 1. – 2. Jahrhundert nach der Zeitrechnung.

Die Moghul-Dynastie

Die glanzvolle Moghul-Dynastie gründete sich auf den Herrscher Babur, der, aus Samarkand stammend, im Jahr 1542 mit seiner Gefolgschaft ins Land kam. Im Laufe der folgenden Jahre beherrschte er fast den gesamten Subkontinent, von Afghanistan bis Bengalen und schuf eine islamische Hochkultur. Delhi war der neue Mittelpunkt kulturellen Lebens der Muslime, von dort überzogen sie das Land mit ihren architektonischen Denkmälern. Lahore wurde neben Delhi unter Kaiser Akbar dem Großen zur Hauptstadt des Moghulreiches (1526-1707). Das Fenster auf nebenstehendem Bild ist in einem Moghulpalast zu Lahore zu sehen. Klicken Sie auf das Bild, um es vergrößert zu sehen. In der großartigen Badshahi-Moschee, dem Lahore-Fort, der Perl-Moschee (Moti Masjid) und den Shalimar-Gärten – um nur einige zu nennen – haben sich persische, zentralasiatische und indische Elemente vereinigt. Die Gesichter vieler Städte im heutigen Pakistan wurden in der Moghulzeit geprägt.

Die Kolonialzeit und die Geburt Pakistans

Die Briten kamen als scheinbar harmlose Händler zu Beginn des 17. Jahrhunderts nach Indien. Die East India Company, ursprünglich als Handelsgesellschaft gegründet, dehnte langsam ihren Handels- und Machtbereich durch Intrigen, Bestechungen und Gewalt aus. Im 18. Jahrhundert begann die systematische Eroberung des Subkontinents und der Begriff vom British Raj (Raj bedeutet Gesetz) breitete sich aus. Das Persische, Sprache der Moghuln, wurde verdrängt und  durch Englisch ersetzt. die neue Sprache diente als Erziehungsmedium der höheren Bildung. Kritik und Misstrauen machte sich breit, als die Gefahr der Verfremdung und Marginalisierung der lokalen Kulturen erkannt wurde.

Die Briten setzten alles daran, Südasien ihren Stempel aufzudrücken, gerieten dabei aber selbst in den Sog der großen südasiatischen Kulturtradition. Zeugen dafür sind z.B. die „moghul-gotischen» Kolonialbauten. Eines der prächtigsten Beispiele der britisch- indischen «Moghul-Gotik» ist das Islamia-College in Peshawar, das  den 100- Rupien-Schein ziert.

Die indische Unabhängigkeitsbewegung gewann 1885 mit der Gründung der Indian National Congress Partei, welche zwar hinduistisch-dominiert aber auch mit muslimischen Politikern vertreten war, an politischer Bedeutung. 1906 gründete sich als Gegenstück zur hinduistisch dominierten Kongresspartei die Muslim League (ML) Partei, die die Interessen der Muslime eigenständig repräsentieren sollte. Die muslimische Bevölkerung Indiens fühlte sich von zwei Seiten bedroht: Einerseits von der Vorherrschaft der Briten und andererseits von dem Selbstbehauptungswillen der Hindus, die den weitaus größeren Bevölkerungsanteil stellten. Die verschiedenen muslimischen Gruppen waren sich untereinander  nicht einig, ob Anpassung oder Festhalten an der eigenen Tradition sinnvoller für ihr eigenes Fortbestehen wäre. 1930 wurde zum ersten Mal die Idee eines unabhängigen muslimischen Staates vom Dichter, Philosophen und ML-Politiker Muhammad Iqbal ausgesprochen.

Nachdem die Interessen dieser zwei Parteien mehr und mehr kollidierten, konnte Muhammad Ali Jinnah, damaliger Führer der ML und späterer Gründervater Pakistans, politische Unterstützung unter den einflussreichen muslimisch geprägten Bürgern für seine Vision eines unabhängigen Staates für indische Muslime mobilisieren. 1940 auf dem Parteitag der Muslim-Liga in Lahore fand diese Idee in der Form der „Zwei-Nationen Theorie“ Eingang in die „Lahore Resolution“ (heute wird diese in Pakistan auch oft als «Pakistan Resolution» genannt).Im Zuge der Teilung Indiens nach 89 Jahren direkter britischer Kolonialherrschaft (von 1858 bis 1947) wurde Pakistan als das „Homeland der indischen Muslime“ am 14. August 1947 geboren. Heute wird der 14. August als Unabhängigkeitstag in Pakistan gefeiert. Gemäß der „Lahore Resolution“ 1940, in der auf Basis der sogenannten „Zwei Nationen Theorie“ ein eigener Staat für Muslime des Subkontinents gefordert wurde, wurde das britische Indien so aufgeteilt, dass die überwiegend muslimisch bevölkerten Gebiete Pakistan zugeordnet wurden. Diese Idee eines eigenen Staates für Muslime dient heute noch als Staatsraison der Islamischen Republik Pakistan. Einige Gebiete waren umstritten, darunter auch der von einem Hindu-Maharaja beherrschte aber überwiegend muslimisch bevölkerte Fürstenstaat Kashmir, was bis heute noch als ursächlicher Grund für den Kaschmirkonflikt dient. Die politisch weitreichende Entscheidung der „Teilung Indiens“ bzw. der „Unabhängigkeit der Muslime“ – je nachdem aus welcher Warte betrachtet – hatte eine der vermutlich größten und blutigsten Migrationsströme der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Folge. Nach der Teilung Indiens bestand Pakistan aus zwei territorial (1500 km)  auseinanderliegenden Gebieten, nämlich Westpakistan, in den Grenzen des heutigen Pakistans sowie Ostpakistan, das sich 24 Jahre später, 1971, durch einen blutigen Aufstand und einen grausamen Krieg abspaltete und in den Grenzen des heutigen Bangladesch unabhängig wurde.

Ein Vergleich zwischen diesen drei Ländern zeigt die sozial- ökonomischen sowie politischen Veränderungen nach der Teilung Indiens. Die traumatischen Erlebnisse von 1947 und 1971 und das damit einhergehende Leid der geteilten Familien wird seither in Literatur, Film, Musik und Kunst in Indien, Pakistan und Bangladesch verarbeitet.

Geschichte der Neuzeit

Autoritäre Regierungsstrukturen eines postkolonialen  Staates gepaart mit der Notwendigkeit schnelle Entscheidungen mit Blick auf die Flüchtlingskrise und den Kashmirkrieg nach der Unabhängigkeit treffen zu müssen führten zu einer politisch sehr volatilen Zeit nach der Gründung. Es ist wohl auch auf den frühzeitigen Tod des Staatsgründers Muhammad Ali Jinnah (ein Jahr nach der Gründung Pakistans) zurückzuführen, dass die ersten Jahre nach der Unabhängigkeit Pakistans eine instabile zivile Regierungszeit mit sich brachten und in den ersten Militärputsch mündete.

In fast der Hälfte des Bestehens des jungen Staates von 1947 bis 2016 herrschte das pakistanische Militär, in der anderen Hälfte wechselten sich überwiegend instabile zivile Regierungen an der Macht ab. Viermal wurde Pakistan von verschieden Militärdiktaturen regiert: 1958-68 unter General Ayub Khan und nahtlos übergehend von 1968-71 unter General Yahya Khan, 1977-88 unter General Zia- ul-Haq und zuletzt 1999-2008 unter General Pervez Musharra). Die angebliche Unfähigkeit der zivilen politischen Kräfte wurde immer wieder als Begründung für die Intervention in die Politik seitens des Militärs zitiert, die Slogans wie z.B. „controlled democracy“ oder „guided democracy“ prägten und für sich nutzten.

Die zivile Regierung unter Zulfikar Ali Bhutto (1971-77), des  Gründers und Führers einer der stärksten politischen Parteien Pakistans, der Pakistan Peoples Party (PPP), versuchte eine islamisch-sozialistische Republik zu gestalten. Zulfiqar Ali Bhutto wurde von seinem selbst ernannten Oberbefehlshaber des Militärs, General Zia-ul-Haq, gestürzt und letztendlich aufgrund einer ihm vorgeworfenen Konspiration zum Tode verurteilt und erhängt. Nach dem mysteriösen Tod Zia-ul-Haqs durch einen Flugzeugsturz 1988 folgte eine Dekade ziviler, aber instabiler Regierungen, die entweder von Benazir Bhutto, Zulfikar Ali Bhuttos Tochter, oder von Nawaz Sharif, Anführer der Punjabi dominierten Pakistan-Muslim-League (PML-N) Partei, für nicht mehr als jeweils drei Jahre gestellt wurden.

1999 wurde der damals amtierende Premierminister Nawaz Sharif im Zuge der Kargil-Krise Opfer eines Militärputsches seitens General Pervez Musharrafs. Nach der Militärregierung Musharrafs (1999-2008) ist die letzte zivile Regierung (Februar 2008- Mai 2013) unter der PPP die erste in der Geschichte Pakistans, die die ganze Legislaturperiode von fünf Jahren zu Ende bringen konnte. Mit den Wahlen im Mai 2013 hat Pakistan ebenso zum ersten Mal in der Geschichte – trotz innerpolitischer Machtkämpfe – einen zivilen demokratischen Regierungswechsel durch Wahlen vollzogen.

Die bisherigen Militärputsche und -diktaturen wurden von der Justiz, vom höchsten Gericht in Pakistan, dem Supreme Court, auf Basis der sogenannten „state of necessity doctrin“ legitimiert.

Dementsprechend wurde die Verfassung kontinuierlich für die Bedürfnisse des jeweiligen Herrschers maßgeschneidert. Die traditionell eng verwobene Beziehung zwischen Militär und Judikative änderte sich teilweise mit dem Beginn der Richterbewegung in 2007. Die Geschichte seit der Unabhängigkeit wird ausführlich im Internetportal Südasien-Info dargestellt.

Die Zeittafel bietet einen detaillierten historischen Abriss von der Frühgeschichte Pakistans bis zu aktuellen historischen Ereignissen.

Die Staatsgründer

Muhammad Ali Jinnah

Der als «Quaid-i-Azam» (großer Führer) verehrte Muhammad Ali Jinnah (1876-1948) ist Symbol der nationalen Identität. Sein Bildnis findet sich in allen öffentlichen Gebäuden, sein Geburtstag (25. 12.1876) ist ein nationaler Feiertag. Daie Tatsache, dass die indischen Muslime 1947 nach dem Ende des britisch-indischen Kolonialreichs einen eigenen Staat erhielten, wird als sein Verdienst gewertet. Jinnah wollte jedoch keinen islamischen Staat, sondern einen unabhängigen säkularen Staat der Muslime mit parlamentarisch-demokratischer Struktur, in dem religiöse und ethnische Minderheiten dieselben Rechte genießen wie Muslime.

Seine präsidentielle Rede vor der verfassungsgebenden Versammlung am 11. August 1947 veranschaulicht dies:

„You are free, you are free to go to your temples, you are free to go to your mosques or to any other places of worship in the State of Pakistan. You may belong to any religion or caste or creed – that has nothing to do with the business of the State. […] My guiding principle will be justice and complete impartiality, and I am sure that with your support and cooperation, I can look forward to Pakistan becoming one of the greatest nations of the world.“

(M. Ali Jinnah in seiner Ansprache vor der konstituierenden Versammlung in Pakistan am 11. August 1947). Da er schon ein Jahr nach der Unabhängigkeit aufgrund einer Krebserkrankung starb, konnte er seine politischen Ziele nur unvollkommen umsetzen.

Staatsphilosoph und -poet: Illama Iqbal

Muhammd Iqbal (1877-1938) war Weggefährte Jinnahs und Dichter und Philosoph, der seine Werke in den Sprachen Urdu und Persisch verfasste. Aufgrund seines Studiums und seiner Promotion der Philosophie und Rechtswissenschaften in Cambridge, Heidelberg und München beschäftige er sich intensiv mit westlicher Philosophie und war von ihr begeistert. Auch heute noch gilt Illama Iqbal (Gelehrter Iqbal) in Pakistan nicht nur als Philosoph und Dichter, sondern auch als geistiger Staatsgründer, denn er war es, der die Idee eines eigenständigen Staates auf dem Parteitag der Muslim League 1930 auf den Tisch brachte. Viele seiner Werke sind von Prof. Annemarie Schimmel ins Deutsche übersetzt worden. Auch wurde eine Straße in Heidelberg und ein Denkmal in München ihm gewidmet.

Die Texte stammen von Susanne Thiel. Sie ist seit den 1990er Jahren im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit tätig. Die GIZ und der Autorin ist informiert worden, dass die Infos auf meiner touristischen Länderseite zu Pakistan veröffentlicht werden.