Sozialgeographische Gegebenheiten
Mit seinen geschätzten 203 Mio. Einwohnern (Ende 2018) und einer jährlichen Bevölkerungswachstumsrate von 2% ist Pakistan das zweitgrößte islamisch geprägte Land (nach Indonesien) und das sechstbevölkerungsreichste Land der Welt. Die Bevölkerung ist regional sehr ungleich verteilt. So leben im Punjab, der fruchtbarsten Provinz des Landes, mehr als die Hälfte der Pakistanis (~55%). Der Punjab trägt seinen Namen aufgrund der fünf Flüsse (Beas, Chenab, Jhelum, Ravi und Sutlej), die durch ihn fließen und in den gewaltigen Fluss Indus münden. Der Indus durchquert das Hochgebirge im Norden des Landes, fällt in das Tal des Punjabs und fließt dann durch die Provinz Sindh um letztendlich in das Indusdelta des Arabischen Meeres zu münden.
Im Südosten des Landes, in der Provinz Sindh, leben ebenfalls viele Menschen entlang des Indus (~23 %), jedoch viel weniger Menschen in der Wüste Thar, die eine natürliche Grenze zu Indien bildet. In der gebirgigen nordwestlichen Provinz Khyber Pakhtunkhwa leben ca. 13% der Bevölkerung und in den jetzt der Provinz KP angegliederten Stammesgebieten oder den ehemaligen Federal Administered Tribal Areas (Ex-FATA) leben ca. 2,4% der Bevölkerung. In Baluchistan, der flächenmäßig größten Provinz, welche 40% der Gesamtfläche des Landes ausmacht, leben nur ca. 5 %, weil sie durch eine sehr karge und unfruchtbare, obgleich ressourcenreiche, Landschaft geprägt ist. In der Hauptstadt Islamabad leben ca. 0,6 % der pakistanischen Bevölkerung.
Land-Stadt Migration
Zwei Drittel der pakistanischen Bevölkerung leben auf dem Land, nur ein Drittel lebt in den Städten. Der derzeitige Urbanisierungsgrad liegt bei ca 39,7%. Allerdings ist die jährliche Urbanisierungsrate mit fast 3% die Höchste in der südasiatischen Region. Nach einer Schätzung der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen wird bis 2025 fast die Hälfte der pakistanischen Bevölkerung in städtischen Gebieten leben. Es sind vor allem Klimaflüchtlinge, arme Menschen, die vom Land in die städtischen Ballungszentren ziehen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft und ökonomische Absicherung. Darüber hinaus ist eine verstärkte Migration von Bewohnern der unruhigen Stammesgebiete und Flüchtlinge aus Afghanistan, die in sicherere Städte wie z.B. Peshawar, Quetta und vermehrt auch nach Karachi wandern, zu verzeichnen.
Aufgrund mehrerer militärischen Operationen in den Stammesgebieten seitens des pakistanischen Militärs seit 2004 sind insgesamt ca. fünf Millionen Menschen zu Binnenflüchtlingen geworden. Mehr als 15 Millionen Menschen mussten aufgrund von Naturkatastrophen ihr zu Hause verlassen. Diese hohe Land-Stadt Flucht stellt den pakistanischen Staat vor weitere Herausforderungen, wie z.B. die Bereitstellung von adäquaten Wohnungen, genügend Energie/Elektrizität und Grundversorgung. Die Megametropole Karachi, die gemäß Schätzungen auf bis zu 19 Millionen Menschen in 2025 anwachsen wird, ist bereits jetzt mit den circa 15 Millionen residierenden Menschen und deren Grundversorgung überfordert.
Verkehrsinfrastruktur
Die ungleiche Verteilung der Bevölkerung im Land hat die pakistanische Verkehrsinfrastruktur mitgeprägt. Das Schienennetz konzentriert sich auf die dicht besiedelten Provinzen Punjab und Sindh. Die erste Eisenbahnlinie auf dem Gebiet des heutigen Pakistans nahm 1861 den Betrieb zwischen Karachi und Kotri bei Hyderabad auf. Die staatliche Eisenbahngesellschaft Pakistan Railways ist für das Betreiben des Schienennetzwerks zuständig. Die Mehrzahl der gesamten Personen- und Güterbeförderung verläuft immer noch mehrheitlich über die Straße. Die National Highways, die pakistanischen Autobahnen, die von der National Highway Authority (NHA) verwaltet werden, sind unabdingbare Transportverbindungen zwischen den wichtigsten Großstädten in allen Landesteilen geworden. Die NHA weitet ihr Netzwerk immer weiter aus. Gerade unter der jetzigen Nawaz Sharif Regierung gibt es viele NHA-Projekte in Konstruktion oder Planung, wie z.B. die Verbindungen vom neuen Gwadar Hafen nach Sindh und Punjab. Hauptverkehrsmittel sind immer noch Überlandbusse. Gütertransport findet oft über die landestypischen kunstvoll bemalten Lastwagen statt.
Der Flugverkehr in Pakistan ist relativ gut ausgeprägt. Pakistan verfügt über drei internationale Flughäfen (Karachi, Islamabad, Lahore) sowie viele nationale Flughäfen (wie z.B. Faisalabad, Peshawar, Quetta, Multan, Sialkot) und darüber hinaus auch zahlreiche Regionalflugplätze. Die staatliche Fluggesellschaft Pakistan International Airlines hat seit der Liberalisierung unter Musharraf kein Monopol mehr in diesem Sektor. Der internationale Güterverkehr findet fast ausschließlich über den Karachi Port, dem „Gateway to Pakistan“, statt. Für seine Entlastung wurde der Port Muhammad Bin Qasim etwas außerhalb von Karachi angelegt. Zunehmend wird der von den Chinesen erbaute Gwadar Port in Balochistan an immenser Bedeutung gewinnen, sobald dieser operativ ist. Von hier aus sollen die Märkte in Zentralasien bedient werden.
Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen
Auf der legislativen Ebene gab es einige Fortschritte im Hinblick auf den Schutz von Frauen. Das Verbrechen der Säureattacken auf Frauen, ethnische oder religiöse Minderheiten, wurde durch das Acid Control and Acid Crime Prevention Act 2011 kriminalisiert. Weiterhin wurden frauenfeindliche Praktiken, wie z.B. das «swara», die Verheiratung von Mädchen oder Frauen zur Lösung von familiären oder Stammeskonflikten, durch den Anti-Women Practices Act 2011 kriminalisiert. Trotz dieser Fortschritte auf rechtlicher Ebene bleibt die Gewalt gegen Frauen eine der gravierendsten Herausforderungen in Pakistan.
Transsexuelle in Pakistan
Bemerkenswert ist allerdings auch, dass der Supreme Court 2010 in einem Urteil gegen die systematische Diskriminierung von Transsexuellen die dritte Geschlechtskategorie und die Registrierung von Transsexuellen eingeführt hat.
Diskriminierung und Gewalt gegen religiöse Minderheiten
Religiöse Minderheiten einschließlich Christen, Hindus, Ahmadis sowie Shiiten (wie z.B. die Hazara) und sogar Angehörige des sufistischer Gruppierungen (Mystischer Islam) sind vermehrt Zielscheibe von extremistischen islamistischen Gruppen und systematischer Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Kleine Gruppen von pakistanischen Hindus haben aufgrund der Diskriminierung in Pakistan das Land verlassen und sich in Indien angesiedelt. Besonders Angehörige der religiösen Gruppe der Ahmadis sind systematischer Verfolgung ausgesetzt. Da sie sich selbst als ‹islamisch› definieren, dies vom Mainstream-Islam aber abgelehnt wird, wird ihre Religionsausübung als blasphemisch verurteilt. Das Blasphemiegesetz wird oft missbraucht, um einerseits religiöse Minderheiten, und ganz besonders Christen, oder andersdenkende Muslime zu kriminalisieren.
Andererseits werden auch oft dadurch persönliche Fehden ausgefochten. Obgleich die letzte Regierung am Anfang ihrer Amtszeit eine Reform des missbrauchten Gesetztes angekündigt hatte, bleibt dies eine leere Versprechung, da der öffentliche Druck seitens der religiös-extremistischen Lobby zu groß und zu gefährlich ist. Im Jahr 2012 wurde der Punjab Governeur Salman Taseer sowie der Minister für die Angelegenheiten von religiösen Minderheiten, Arshad Bhatti, aufgrund ihrer öffentlich geäußerten Kritik zum Gesetz getötet.
Imran Azhar und seine Firma in Karachi zeichnen gegen Diskriminierung und für Menschen- und Minderheitenrechte. Die Firma AZ Corp um Azhar sitzt dort, wo man kein Unternehmen und schon gar keine Weltverbesserer erwartet. Inmitten des edelsten Viertels der Stadt, nahe der Konsulate und der neuer Einkaufsmeilen. Azhar unterwandert die pakistanische Gesellschaft aus deren Zentrum heraus. Seine Mitstreiter sind junge Frauen mit und ohne Kopftuch, die mehr oder weniger frisch von der Designhochschule stammen. Ihre Waffen sind – Comics.
Ihre Comicfiguren machen Jagd auf Waffenhändler und Verbrecher. So schickte Azhar 2015 als erstes das „Team Muhafiz“ (Beschützer) auf die dunklen Straßen Karachis. Dort jagen die sieben Jugendlichen Verbrecher und decken Ungerechtigkeiten auf. Doch die jungen Detektive sind anders: einer ist Hindu, eine Christin ist dabei, ein Mädchen aus Hunza im gebirgigen Norden des Landes, eine Muslimin und eine Menschenrechtsanwältin, wie sie auch in London arbeiten könnte – kurz das ganze Spektrum der jungen Gesellschaft Pakistans.
Korruption
Korruption und Steuerhinterziehung gehören derzeit zu kontrovers diskutierten Themen in Pakistan und werden allgemein als ein Hindernis für die Demokratie und ökonomische Entwicklung gesehen. Korruption durchzieht alle Ebenen und alle Sektoren in Pakistan. Gemäß Transparency International (TI) nimmt Pakistan im internationalen Ranking der korrupten Staaten den Platz 120 von 180 ein (2019).
Derzeit stehen insbesondere Politiker, einschließlich der letzten Regierung, sowie der öffentliche Sektor im Zentrum dieser vor allem von den Medien getragenen Debatte. Nie in der Geschichte Pakistans zuvor standen amtstragende Politiker und Bürokraten wegen Korruptionsklagen vor Gericht.
Jahrtausendelang war das Land am Indus Ziel-, Durchzugs- und Rückzugsland zahlloser Eroberer, aber auch friedlicher Siedler, die aus allen Teilen Mittel- und Südasiens kamen. Das Land ist multiethnisch und multilingual, unterschiedliche und oft gegenläufige soziale Organisationsformen und kulturelle Traditionen existieren nebeneinander.
Anteil alphabetisierte Erwachsene 58 % (2018)
Bedeutende Religion Islam, ca. 95 %
Städtische Bevölkerung 36.7 (2018, UNDP)
Lebenserwartung (w/m) 68 / 66 (2018, HDR)
Gender Inequality Index
Rang 136 von 162 (2018)
Anzahl der Geburten
3,4 pro Frau (2017)
Kindersterblichkeit
79 / 1000 Lebendgeburten
Bunte Gesellschaft
Eine fünftausendjährige Regionalgeschichte von unterschiedlichen Hochkulturen, Eroberungs- sowie Einwanderungswellen und damit einhergehenden geistigen und kulturellen Einflüssen hat die auf ca. 203 Millionen angewachsene Bevölkerung Pakistans zu einer hochkomplexen Gesellschaft geformt. Auf den ersten Blick erscheint Pakistan als ein bewegtes Kaleidoskop verwirrender kultureller und gesellschaftlicher Formen und Farben. Ein übersichtliches Bild der pakistanischen Gesellschaft zu zeichnen fällt zunächst nicht leicht. Wenn man sich allerdings längere Zeit mit Land und Leuten beschäftigt und in dieser vielfältigen Gesellschaft lebt, werden die sozialen und kulturellen Zusammenhänge und Strukturen sichtbarer und verständlicher.
Bildung
Gemäß des Global Education Monitoring Reports 2017/18 der UNESCO stellen sich die Bildungserfolge Pakistans relativ schwach dar. Die Einschulungs- und Alphabetisierungsrate Pakistans zählt zu den niedrigsten der Welt. Lediglich rund 60 Prozent der Bevölkerung (Frauen: 46%) können lesen und schreiben. Die Bedingungen für Mädchenbildung in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Baluchistan sind besonders besorgniserregend, die Alphabetisierungsraten für Frauen und Mädchen sind hier besonders niedrig. Diese Situation ist auf die chronische Unterfinanzierung des Bildungssektors, insbesondere der Grundbildung, in Pakistan zurückzuführen. Nur etwas über zwei Prozent des Bruttosozialprodukts werden in Bildung investiert. Die pakistanische Zivilgesellschaft fordert seit Jahren eine Verdoppelung des Haushalts für den Bildungssektor.
Weiterhin bleiben große Diskrepanzen in der Alphabetisierungs- und Bildungspolitik zwischen Provinzen sowie zwischen ländlichen und städtischen Gebieten bestehen.
Mit der 18. Verfassungsänderung im April 2010 wurde die Zuständigkeit für den Bildungssektor auf die Provinzen übertragen. Das Ministry of Federal Education and Professional Training auf der Bundesebene koordiniert nicht nur die internationalen Geber, sondern bildet auch eine Plattform für Informationsaustausch und Synergie innerhalb der Provinzen. Nachdem der Bildungssektor dezentralisiert worden ist, konnte ein Anstieg der Ausgaben für den Bildungssektor seit dem Haushaltsjahr 2013/14 verzeichnet werden. In Khyber Pakhtunkhwa wurde der Haushalt für Bildung sogar verdoppelt.
Das pakistanische Bildungssystem spiegelt die anhaltende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft wider. Es existieren drei Bildungsstränge, die sich an jeweils verschiedene soziale Schichten wenden. Das formale staatliche Schulwesen (1.-12. Klasse) zeichnet sich durch Qualitätsmängel aus und geographische Differenzen aus. Es wird von einem privaten Schulsystem in zumeist städtischen Gebieten ergänzt. Viele privaten Schulen stellen hochqualitative und international wettbewerbsfähige Bildung für die obere Mittelschicht und Oberschicht zu Verfügung. Oft schließen die Schüler/innen mit einem britischen Abschluss (O- und A-Levels) ab. Zahlreiche AbsolventInnen von Hochschuleinrichtungen im Ausland kehren nach ihrem Studium nicht nach Pakistan zurück. Die Notwendigkeit von umfassenden Reformen der Bildungssysteme taucht immer wieder in politischen Diskussionen auf.
Zusätzlich existieren die sogenannten Madrassas (religiöse Schulen), welche den Bedarf der unteren sozialen Schichten für kostenfreie Bildung, oft mit freier Unterkunft und Verpflegung, abdecken.
Diese Madrassas werden normalerweise von lokalen Gemeinschaften verwaltet und allein durch Spenden finanziert. Der Unterricht der Madrassas beschränkt sich überwiegend auf Lesen und Schreiben und religiöse Inhalte. Eine Regulierung der zahlreichen Madrassas (mehr als 13.000) und eine Angleichung der Lehrpläne an die staatlichen Standards wird seit Jahren diskutiert, stößt allerdings auf Widerstand seitens der zentralen Madrassaverwaltung. Diese Madrassareform ist allerdings unumgänglich und wird immer wieder zu einem Politikum in den medialen Diskursen um das Thema Terrorismus und Extremismus, weil einige Madrassas im Nordwesten Pakistans sowie im Südpunjab eine bedeutende Rolle in der radikal-islamischen Indoktrinierung und der Rekrutierung von Extremisten gespielt haben.
Gesundheit
Pakistan steht in seiner sozialen Entwicklung inklusive des Gesundheitsbereiches vor zahlreichen Herausforderungen. Die gesundheitsrelevanten Millenniumsentwicklungsziele hat das Land bis Ende 2016 nicht erreichen können. Im Index der menschlichen Entwicklung (HDI 2018) belegt Pakistan Platz 150 von 189 Ländern und schneidet damit im regionalen Vergleich schlecht ab. Die allgemeine Lebenserwartung beträgt laut UNDP 66,6 Jahre. Pakistan hat eine schnell wachsende Bevölkerung. Etwa 35 Prozent der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt – viele junge Menschen haben keine Aussicht auf eine Arbeit. Eine weitere Folge des Bevölkerungswachstums ist die zu intensive Nutzung der knappen natürlichen Ressourcen, insbesondere der Agrarflächen und des Wassers. Herausforderungen bestehen insbesondere in den Bereichen Familienplanung, Kindersterblichkeit, Mutter- Kindgesundheit und Ernährungszustand; kombiniert mit sozialen Problemen wie z.B. der Stellung der Frau, Gewalt gegen Frauen in der pakistanischen Gesellschaft sowie dem Mangel an Bewusstsein für HIV/AIDS trägt diese Situation zu einer mangelhaften Gesundheitsversorgung besonders von Frauen und Kindern bei. Die offizielle HIV/AIDS-Quote von Erwachsenen zwischen 15 und 49 Jahren beträgt 0,1% (Worldbank 2015).
Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sie sind weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen 0,92% (Worldbank 2015). Qualität und Erreichbarkeit öffentlicher Gesundheitsdienstleistungen sind in Pakistan vergleichsweise gering. In der Folge erkranken immer noch viele Menschen an Krankheiten wie Polio, die anderswo nahezu ausgerottet sind. Der Anteil der einjähringen Kinder, die eine Impfung geben Diphterie, Keuchhusten oder Tetanus erhalten, beträgt 73% (Worldbank 2015). Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate gehört zu den höchsten weltweit. Die Anzahl der Kinder, die vor dem fünften Lebensjahr versterben, beträgt pro
1.000 Lebendgeburten 81,1% (Worldbank 2015). Und auch die Anzahl der Mütter, die während der Schwangerschaft oder Geburt ihrer Kinder sterben, ist enorm hoch (pro 100.000 Lebendgeburten versterben 178 Frauen; Worldbank 2015). Der Anteil der Schwangeren, die medizinisch betreut werden, beträgt 73,1%. Alternative Angebote einer medizinischen Versorgung gibt es – wenn überhaupt – nur durch private Anbieter, die profitorientiert arbeiten und keiner staatlichen Kontrolle unterliegen. Zahlungskräftigen Patienten stehen Kliniken mit internationalem Standard zur Verfügung. Wie in anderen Entwicklungs- und Transformationsländern ist allerdings die Mehrheit der Bevölkerung medizinisch schlecht versorgt.
Neue Bestimmungen zur Mehrehe
Der Islamabad High Court (IHC) hat im Juni 2019 die Zustimmung des Schiedsgerichts für eine zweite Ehe verbindlich gemacht. Der IHC- Richter Athar Minallah hat das Urteil gefällt, in dem festgestellt wurde, dass die Zustimmung des Arbitrary Council für den Ehemann verbindlich ist, auch wenn er von der ersten Frau grünes Licht erhält. Nach der muslimischen Familienrechtsverordnung muss ein Mann, der eine zweite oder darüber hinaus weitere Ehefrauen heiraten möchte, die Erlaubnis seiner ersten Ehefrau einholen. Nach dem neuen Urteil wird eine Person auch bestraft, wenn der Schiedsausschuss dies trotz der Zustimmung der ersten Frau nicht zulässt.
Menschen, die zu LGBT-Gruppen gehören, haben in Pakistan bisher ein verborgenes Leben führen müssen. Auch in Großstädten müssen Schwule und Lesben sehr diskret mit ihrer sexuellen Orientierung umgehen. Das pakistanische Gesetz schreibt strafrechtliche Sanktionen für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen vor. Das pakistanische Strafgesetzbuch von 1860, das ursprünglich in der Kolonialzeit entwickelt wurde, bestraft Sodomie mit einer möglichen Gefängnisstrafe und hat andere Bestimmungen, die die Menschenrechte der LGBT-Pakistaner unter dem Deckmantel des Schutzes der öffentlichen Moral und Ordnung beeinträchtigen.
Obwohl es sich um eine Straftat handelt, wird Homosexualität allerdings im Land nur selten strafrechtlich verfolgt. Diskriminierung und Missbilligung der LGBT-Gruppen und das damit verbundene soziale Stigma sind meist auf religiöse und patriarchalische Überzeugungen zurückzuführen. Dennoch ist die LGBTIQ+- Gemeinschaft in der Lage, sich zu organisieren, zu verabreden und sogar als Paar zusammenzuleben, aber meist nur insgeheim.
Im Jahr 2018 verabschiedete das Parlament das Transgender Persons (Protection of Rights) Act, das einen umfassenden Schutz für Transgender-Personen vorsieht. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Pakistans in einem historischen Urteil von 2009 zugunsten von Bürgerrechten für Transgender-Bürger entschieden, und weitere Gerichtsurteile bestätigten und erhöhten diese Rechte.
Pakistan hat keine Bürgerrechtsgesetze, die Diskriminierung oder Belästigung aufgrund der sexuellen Orientierung verbieten. Weder gleichgeschlechtliche Ehen noch bürgerliche Vereinigungen genießen rechtliche Anerkennung und werden kaum jemals im politischen Diskurs erwähnt.
Frauen und Arbeit in Pakistan
Der weibliche Wirkungsbereich in der Öffentlichkeit und die Möglichkeit der Berufstätigkeit pakistanischer Frauen ist in hohem Maße abhängig von der Geschlechtertrennung (‹Purdah›). Große Unterschiede bezüglich der beruflichen Möglichkeiten bestehen aber auch je nach Zugehörigkeit zur sozialen Schicht und entsprechend der Einkommensverhältnisse der gesamten Familie. Außerdem ist die Ausgangslage für Frauen bei der Stadt- im Gegensatz zur Landbevölkerung völlig unterschiedlich. In Beluchistan und Khyber Pakhtunkhwa gibt es aufgrund nur vereinzelt vorkommender städtischer Zentren eine niedrige industrielle Entwicklung und kaum Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen. Im Sindh und Punjab existieren Gesellschaftssysteme, die auf Landwirtschaft basieren. Durch die städtischen Zentren und die größte industrielle Entwicklung in diesen beiden Provinzen besteht jedoch für eine größere Anzahl von Frauen die Chance, schulische und berufliche Bildung zu erhalten. Aber auch die Zugehörigkeit zu den jeweiligen ethnischen Gruppen kann die beruflichen Aussichten einer Frau beeinflussen.
Durch die stammesgesellschaftliche Orientierung der Belutchen und Pakhtunen spielen die Frauen in der Öffentlichkeit eine geringe Rolle und sind im Berufsleben spärlich vertreten. Über den Beitrag von Frauen zur ökonomischen Produktion des Landes wird wenig berichtet und er wird nicht adäquat in den Statistiken berücksichtigt. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die meisten Frauen im informellen Sektor oder im Agrarsektor beschäftigt sind. Aus diesem Grund hat u.a. die International Labour Organisation (ILO) ein Projekt initiiert, dass die Wahrnehmung von arbeitenden Frauen in den Medien verändern soll.
Der Erwerbstätigenanteil pakistanischer Frauen gehört zu den niedrigsten in der ganzen Welt und nur ein sehr kleiner Prozentsatz der berufstätigen Frauen hat Gelegenheit, in prestigebringenden Berufen, z.B. als Lehrerin oder Ärztin, zu arbeiten. Die Chance einen Beruf auszuüben, bietet sich ihnen meist am unteren und nur – zu einem sehr geringen Teil – am oberen Ende der sozioökonomischen Skala. Es stehen in Pakistan so unterschiedliche Bilder nebeneinander wie das der Straßenkehrerin, das der in Purdah lebenden Frau, die sich mit Heimarbeit auf das eigene Haus beschränkt, und das der Frauen aus bedeutenden Familien, die durch die Macht und das Ansehen ihres sozialen Umfelds in die Öffentlichkeit hinaustreten und berühmt werden konnten. Die bekanntesten Namen sind Begum Rana Liaquat Ali Khan, die Frau von Pakistans erstem Premierminister, die 1954 eine der ersten Botschafterinnen überhaupt war. Oder Mohtarma Fatima Jinnah, Schwester des Staatsgründers Muhammad Ali Jinnah, die 1965 als Präsidentschaftskandidatin aufgestellt wurde. Und auch Benazir Bhutto, ehemalige Führerin der Pakistans People Party (PPP) und zweimalige Premierministerin des Landes konnte diesen Erfolg nur als Zulfikar Ali Bhuttos Tochter erringen.
Frauen aus der intellektuellen städtischen Mittel- und Oberschicht haben die günstigsten Ausbildungs- und Berufsaussichten. Ihre Lebensumstände gleichen sich in allen Landesteilen mehr, als die Lebensumstände von Frauen aus ärmeren Schichten oder den ländlichen Gebieten der gleichen Provinz. Bei der Mittel- und Oberschicht findet sich am ehesten innovatives Verhalten hinsichtlich weiblicher Schulbildung. Die Art der Erziehung und Beschäftigung der Familienmitglieder vermehrt das Ansehen der Familie und hebt ihren Status. Frauen aus diesen privilegierten Schichten haben Zugang zu Universitätsbildung und können meistens einen Beruf ihrer Wahl ergreifen. Auf dieser Ebene der sozioökonomischen Skala hat ein großer Zuwachs in den lehrenden und medizinischen Berufen stattgefunden. Ungefähr ein Drittel aller Lehrer und ein Fünftel aller Ärzte sind Frauen. Der Bedarf an Lehrerinnen und Ärztinnen erklärt sich aus der Geschlechtertrennung der pakistanischen Gesellschaft. Auch in der extrem konservativen Provinz Khyber Pakhtunkhwa sind die meisten Frauen auf medizinische oder lehrende Berufe beschränkt, aber immerhin gibt es einige praktizierende Rechtsanwältinnen.
Wirtschaftliche Notwendigkeit öffnet die „Purdah-Tür“ einen Spalt: Nach einer Schätzung sind in den städtischen Zentren Frauen aus wirtschaftlich schwächeren Schichten zu 25 Prozent im Dienstleistungsgewerbe tätig. Die meisten von ihnen als Kehrerinnen in Krankenhäusern, Büros und auf den Straßen; als Bedienstete in Schulen, Hotels und Krankenhäusern sowie als Personal in den verschiedenen häuslichen Tätigkeitsbereichen. Die Zahl der Fabrikarbeiterinnen ist ansteigend, vor allem in den Bereichen Textilienproduktion, Pharmazeutika-Herstellung und der Packerei, in Karachi auch in der Fischindustrie. Diese Beschäftigungen lassen sich zwar alle in die traditionellen Tätigkeiten für Frauen einreihen, sind aber mit wenig Prestige verbunden, weil sie außerhalb des eigenen Hauses für fremde Menschen ausgeführt werden und bei deren Ausübung die Trennung von männlichen Arbeitnehmern nicht beibehalten werden kann. Diese berufstätigen Frauen haben nicht die Möglichkeit, sich die Beschäftigung nach dem Grad des damit verbundenen Ansehens auszusuchen, sie müssen den Beruf aus wirtschaftlicher Notwendigkeit ausüben. Der ökonomische Druck ist stärker als die kulturellen Restriktionen, die Frauen in ihre eigenen Häuslichkeiten verweisen und Männern die Pflicht auferlegen, allein für ihre Familien zu sorgen. Hohe Haushaltskosten, auch bedingt durch die große Kinderzahl, müssen durch zusätzliches Einkommen der Frauen und teilweise auch der Kinder abgedeckt werden.
Mit der Liberalisierung der Medien finden vermehrt Frauen Jobs im Mediensektor, obgleich dieser männerdominiert ist und die Bedingungen nicht unbedingt positiv sind (geringe Bezahlung, unregelmäßig Arbeitszeiten, Bedrohung kritischer Medienvertreter durch konservative Kräfte, usw.). Trotzdem erhöht sich die Zahl der im Mediensektor arbeitenden Frauen,. Viele möchten dazu beitragen, dass z.B. zu Themen wie Gewalt gegen Frauen oder Frauen in Konfliktzonen berichtet und ihrer Meinung Stimme verliehen wird. Um sich gegenseitig zu unterstützen, vernetzen sich pakistanische Journalistinnen auch mit ihren Kolleginnen in den Nachbarländern.
In den Großstädten Pakistans sind Frauen in den verschiedensten Sektoren tätig, zu denen Medien- und Dienstleistungsbereiche, Gesundheits.- und Bildungsinstitutionen gehören, aber auch Kunst, Kultur, Fashion, und Sport bis hin zu neuerdings der pakistanischen Luftwaffe. Auch sind es viele Frauenaktivistinnen insbesondere in den Großstädten, die sich um die sozialen und politischen Belange von Frauen kümmern.
Sozialstrukturen
Soziale Gliederungsprinzipien in Pakistan beruhen auf Regionalität und Lokalität, auf Ethnizität, Verwandtschaft und Sprache, auf Religion und Weltanschauung, Zugang zu knappen Ressourcen, und schließlich auf Bildungsstand, Beruf, Erwerbszweigen und Kontrolle von Produktionsmitteln. Die soziale Identität des Menschen wird von einer Vielzahl solcher Kriterien gleichzeitig geprägt und wird je nach Lebenssituation unterschiedlich aktiviert.
Vier große und zahlreiche kleine und kleinste ethnische Gruppen finden sich in Pakistan. Zu den großen gehören die Punjabis, Sindhis, Baluchis und Paschtunen (in den frühen ethnographischen Aufzeichnungen der britischen Kolonialbeamten wurden sie Pathanen genannt). Eine fünfte Gruppe wird oft nicht explizit genannt, weil sie über das Land verteilt lebt und daher kartographisch schwer zu fassen ist: die Mohajir (spr. «mohadschir»), das sind die Muslime aus Indien, die bei der Teilung des Subkontinents 1947 teils freiwillig, teils als Flüchtlinge nach Pakistan gekommen sind. Auch ihre Nachkommen werden heute noch so bezeichnet, oft in abfälliger Konnotation. Die politisch korrekte Bezeichnung ist «Urdu-speaking community». Bei näherem Hinsehen stellt man auch fest, dass sich ein Begriff wie «die Punjabis» doch eher auf eine regionale und sprachliche Einheit bezieht, die sich ihrerseits in zahlreiche ethnische Berufsgruppen, wie z. B. Gujar (spr. «Gudschar»), Awan etc. untergliedert. Die begriffliche Grenze zwischen ethnischer Gruppe, Kaste, Clan und Lokalgruppe ist nur schwer zu ziehen.
Soziale Beziehungen und Gruppierungen sind in Pakistan stark vertikal, also hierarchisch orientiert. Das Über- und Untereinander ist meist wichtiger als das Neben- und Miteinander. Das gilt für das Familienleben ebenso wie für die Verhältnisse im Dorf, in der städtischen Nachbarschaft oder in Betrieb und Büro. Echte Teamarbeit im Projekt zu entwickeln kann daher eine Herausforderung bedeuten.
Typisch für das hierarchische Prinzip in südasiatischen Gesellschaften ist auch das Kastensystem. Nach der islamischen Staatsdoktrin Pakistans wurden Kasten zwar abgeschafft, ihre alte Struktur ist in der Gesellschaft aber noch nachzuweisen. Dazu gehört das Phänomen der Bildung von endogamen hochspezialisierten Berufsgruppen, in die man hineingeboren wird, die zu verlassen schwierig ist, und die als «höher» oder «niedriger» bzw. «rein» und «unrein» eingestuft werden. Die Zugehörigkeit zu diesen Berufsgruppen ist in Pakistan noch weit verbreitet.
Besonders bei den Paschtunen in Khyber Pakhtunkhwa und den Baluchen in Baluchistan, aber auch in den Provinzen Sind und Punjab, finden sich Stammesstrukturen, die zwar in sich auf einem egalitären sozialen Gliederungsprinzip auf genealogischer Grundlage fußen, aber durch Überlagerung auch zu hierarchischen Verhältnissen führen können. Die Analysen «Tribes and Society in Pakistan» geben Aufschluss über diese gesellschaftlichen Gliederungsprinzipien.
Die Texte stammen von Susanne Thiel. Sie ist seit den 1990er Jahren im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit tätig. Die GIZ und der Autorin ist informiert worden, dass die Infos auf meiner touristischen Länderseite zu Pakistan veröffentlicht werden.